Presse: Restauratorin über die Corona Krise - und wie man sie auch sehen kann

Es gab für sie auch während der Pandemie fortwährend etwas zu tun. Sogar viel. Zum einen erhielt Gudrun Hanika einen Auftrag, nach dem sich wohl jede Restauratorin die Finger geleckt hätte: Sie durfte das große Gemälde "Der Zinsgroschen" von Otto van Veen restaurieren. Neun Monate war sie damit beschäftigt. Inzwischen hängt das Bild wieder im Museum am Dom. Parallel baute Gudrun Hanika einen Anbau an ihrem Haus in Thüngersheim in Eigenregie zu einem Atelier um.

Selbst als die Inzidenzzahlen enorm gestiegen waren, geriet Gudrun Hanika nicht in Panik. Zur Pandemie hat die 53-Jährige eine eigene Einstellung. "Diese Zeit entspricht meinem Naturell", sagt sie. Gudrun Hanika liebt nicht das Bad in der Menge. Sie tummelt sich nicht gern auf Partys. Muss sich nicht ins Vergnügen stürzen. In der Pandemie überwiegen für sie die Chancen. Beispielsweise jene, inne zu halten. Sich auf sich selbst zu besinnen. Den zuletzt zurückgelegten Weg zu hinterfragen.
Viele Menschen werden dieser Tage von Geldsorgen geplagt. Etwa, weil sie in Kurzarbeit waren und dadurch Gehaltseinbußen hatten. Oder weil sie den Job verloren. Das weiß Gudrun Hanika. Nicht zuletzt Menschen, die sich ihrer Existenz bisher sicher waren, wurde in den vergangenen Monaten der Boden unter den Füßen weggezogen. Gudrun Hanika hat als Freiberuflerin schon immer in einer gewissen Unsicherheit gelebt. Nach ihrem Studium in Köln machte sie sich 1999 in Würzburg selbständig: "Ich war keinen einzigen Tag in meinem Leben angestellt."
Selbstständig zu sein, heißt, dass man keine Aufgaben an Mitarbeiter delegieren kann. Man muss alles alleine machen. Oder sich Expertise einkaufen. "Ich darf alles selbst machen", betont Gudrun Hanika und lächelt. Das Wörtchen "muss" mag sie nicht. Hanika will nichts "müssen" müssen. Sie will das, was sie macht, gern tun. Will das, was zu tun ist, was ansteht, als Chance sehen. Als Chance, innerlich zu wachsen. Hinzuzulernen. Sich selbst auf die Schliche zu kommen. So wird das Leben zur spannenden Entdeckungsreise. Voraussetzung dafür ist Vertrauen. Vertrauen ins Leben. Das hat Gudrun Hanika.

Arbeit am Mindset

Auch "Sorge" und "Probleme" sind Wörter, mit denen sie nichts mehr am Hut haben will. Das war möglicherweise mal anders. Doch Gudrun Hanika hat an sich gearbeitet. "Mindset" nennt sich die Methode, mit der sie sich intensiv befasst. "Mindset-Arbeit" bedeutet, die eigenen Einstellungen zu hinterfragen. Denn die sorgen dafür, wie wir denken. Das nächstliegende Beispiel dafür ist das zur Hälfte gefüllte Glas. Das für manche Menschen halb leer ist. Und für andere, und dazu gehört die Thüngersheimerin, halb voll. Das Glas als halb voll anzusehen, ermutigt. Und stärkt. Vielleicht lässt es sich weiter füllen: So viel Raum bleibt noch bis zum Rand!
Ein großer Computerbildschirm im Atelier macht neugierig: Wozu braucht eine Expertin für Gemälde- und Skulpturenrestaurierungen einen Rechner? Nutzt sie das Internet, um mehr über ein Objekt zu erfahren, das von ihr restauriert werden soll? Nein. Gudrun Hanika hat eine neue Idee: "Ich überlege, wie ich Beratungen online anbieten könnte." Das würde gehen, wenn ein Mensch, der gern etwas restauriert haben möchte, einen Leitfaden an die Hand bekäme, mit dessen Hilfe er auf einfache Weise sein Kunstwerk "voranalysieren" könnte. "In dem Moment wäre sein Auge quasi mein Auge und sein Feingefühl mein Feingefühl", so die Kreativfrau.
Hanikas Intention geht dahin, allmählich ihren Kundenkreis zu erweitern. Über die fränkische Region hinaus. Warum sollte ein Kunstliebhaber aus Hamburg nicht in ihr die für ihn ideale Restauratorin finden? Doch es will etwas heißen, sich von einem Bild zu trennen, es einer Spedition zu geben und es hunderte Kilometer weit in die Welt zu schicken. Auch dazu braucht es Vertrauen. Das seitens der Restauratorin gewonnen werden will. Hanika kann sich vorstellen, dass dies auch online gelingt.
Den meisten Menschen bereitet die aktuelle Situation Bauchschmerzen. So viele Frage sind noch ungeklärt. So vieles macht Angst. Wird es immer so weiter gehen mit den Mutationen? Wird der Impfstoff wirksam sein? Werden wir je wieder unbeschwert leben können? So viel Gelassenheit, wie Hanika sie an den Tag legt, ist ungewöhnlich. Manch einen mag dies verstören. Andere atmen auf. Endlich mal eine, die nicht dauernd in Alarmstimmung ist.

Foto: Pat Christ / aus: © Der Kessener 3/2021, S.6 / Pat Christ